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Die Geschichte

Koby erträgt viele Jahre lang, zuerst in der Schule und Internat, dann in seinem Sportclub, Mobbing, Schläge, Misshandlungen, Missbrauch durch Mitschüler und einen Erzieher. Eines Tages bricht er unter seiner ständigen Angst, vor allem der immer wiederkehrenden Todesangst vor dem Ertrinken und dem Eingesperrtsein, zusammen. Im Krankhause findet er endlich Mut, einen Teil seiner Leidensgeschichte zu Erzählen. Als er feststellt, dass seine Eltern und die Ärzte ihm Glauben schenken, bricht er ein weiteres Mal zusammen. Übergroß ist seine Scham, und er stellt sich immer wieder die Frage, warum er das alles mit sich machen ließ. Doch sein Leidensweg ist noch nicht zu Ende…

Ausschnitt (Leseprobe)

Heute weiss Koby nicht mehr genau, welcher Tag es gewesen war, aber es war abends, etwas vor 21.00 Uhr. Man hatte ihm sein Handy aus der Hand gerissen. Jetzt hatte er so starke Bauchschmerzen, er spürte die bevorstehende Gewalt.

Er sah kein Entrinnen mehr. Da kam ihm die Idee: „Ich werde heute noch abhauen und komme nie wieder zurück.“ Koby dachte nicht an irgendeine Gefahr oder gar an Strafe, die ihn wieder erwarten würde, er konnte gar nicht mehr nachdenken, er wollte bloss noch fort. Völlig verwirrt warf er schnell einen Pulli und eine lange Hose über seinen Pyjama. Ohne Geld, ohne Papiere, ohne Jacke verliess er das Internat auf der Rückseite des Gebäudes.Er rannte um sein Leben. Es war Mitte November, es fing an kalt zu werden.

Koby sah nirgends eine Möglichkeit, zu übernachten. Er dachte, der Zirkus, der vorige Woche hier gastierte, sei noch da, dann hätte er sich in ein Zelt reinschmuggeln können. Die Zirkuszelte waren weg, er lief bis zur Kirche, die war natürlich um diese Zeit geschlossen.

Er legte sich einfach auf eine der harten grünen Bänke vor der Kirche. Es war sehr kalt und diese Nacht würde es draussen frieren. Er war trotz der Kälte eingeschlafen. Plötzlich sprang er auf, jemand hatte ihn am Arm berührt. Es war ein Obdachloser. Er konnte sein Alter nicht wirklich schätzen, weil er so ungepflegt war und in alten schmutzigen Klamotten vor ihm stand. „Gehörst du nicht zur Schule hier am Ort?“

„Doch, ich bin aus dem Internat weggelaufen, die Türen sind schon verschlossen, ich kann nicht mehr rein.“ „Oh, wie schade! Hast du nicht ein bisschen Geld für mich?“, fragte der hagere Mann mit den aufgerissenen Augen, er war bekleidet mit einer zerrissenen Jeanshose und einem verschlissenen, zerlöcherten Pullover, der ihm bis an die Knie reichte, an den Füssen Sandalen. Ihm schien die Kälte nichts auszumachen, er war bestimmt daran gewohnt. „Nein, ich habe leider kein Geld dabei“, antwortete Koby.

„Ich kann dir einen Schluck von meinem Tee geben.“ Der Mann reichte ihm seine Thermosflasche und Koby setzte die Flasche einfach an, trank einen Schluck und gab sie ihm zurück. „Vielen Dank auch.“ Und weg war der Mann. Koby hätte ihn fragen sollen, wo er selbst schlief diese Nacht, aber es war zu spät. Er schlief vielleicht in irgendeinem Keller, wo die Tür offen stand, oder in einem Pappkarton eingerollt irgendwo in einer Tiefgarage, aber Koby hatte Angst und wollte nicht in ein Haus oder Gebäude rein. Angst, eingesperrt zu werden und nicht mehr rauszukommen. Denn er musste zurück sein, um sich eine Strafe und sogar den Ausschluss aus dem Internat zu ersparen, mit dem ihm schon mehrmals gedroht worden war.

Der Obdachlose hatte Erfahrung im Übernachten draussen und hatte bestimmt einen festen Platz irgendwo. Diese grauenvolle Nacht wird nie aus seinem Gedächtnis entschwinden. In seinem ganzen Leben war ihm nie so kalt gewesen wie in dieser Nacht. Es war minus zwei bis drei Grad, ohne irgendwelchen Schutz lag er da, konnte dann natürlich nicht mehr einschlafen. Er war steif vor Kälte, fühlte seinen Körper nicht mehr, er glaubte, keine Füsse mehr zu haben, hatte Angst im Dunkeln, hoffte und wartete auf den nächsten Tag. Er weinte, schrie leise um Hilfe, er wusste, dass niemand kommen würde.

An den Obdachlosen dachte er später noch oft. Er hatte ihn nie mehr danach gesehen, er würde ihn heute noch wiedererkennen. An den Schluck lauwarmem Tee aus der verrosteten Thermosflasche erinnert er sich noch heute. Es war 6.00 Uhr morgens, als er aufbrach, in der Hoffnung, im Internat eine offene Tür zu finden. Ein jüngerer Schüler, der an der Eingangstür vorbeiging, machte ihm die Tür auf. Schnell begab er sich in sein Zimmer, seine beiden Zimmerkameraden schliefen noch.

Als es Zeit war zum Aufstehen, wollte er nicht aus dem Bett. Steif vor Kälte lag er noch im Bett und tat so, als ob er schliefe, in der Hoffnung, dass niemand ihn bemerkte. Es war schon halb acht, als die Tür aufging. Die beiden Erzieher waren sich einig, dass Koby 1000 Mal schreiben sollte: ich darf nicht in die Stadt, ohne vorher zu fragen. Und wenn er nicht gleich aufstehen würde, käme noch eine Strafe dazu. Nicht nur, dass die beiden Erzieher ihre Aufsichtspflicht versäumt hatten, es interessierte sie auch nicht das Warum. Wieder hatte Koby eine unsinnige und ungerechte Strafe zu schreiben. Unter den hämischen Blicken von Andy und Kevin schrieb Koby seine Strafe am folgenden Tag im Aufenthaltsraum. Melissa hatte sich zu ihm gesetzt, und ganz leise erzählte er ihr von der Nacht draussen. Sie brachte es nicht fertig, ihn zu trösten, untröstlich waren sie alle beide. Angst und Panik begleiteten ihn immer und überall.

Nur nachgezählt hatte der Fettwanst nicht. Denn Koby hatte die Sätze mal schief, mal ganz schief, dann wieder gerade geschrieben, es war unmöglich, nachzuzählen, auf jeden Fall hatte er die Strafe nicht 1000 Mal geschrieben, er hatte es nicht geschafft und wollte es auch nicht. Es war für ihn eine ganz, ganz kleine Genugtuung.

„Kannst du überhaupt zählen, ehe du hier deine Arbeit als Erzieher begonnen hast?“, lag ihm auf der Zunge, ausgesprochen hatte er es nicht. „Aber sicher nicht bis 1000, denn du warst in keiner Schule. Du kannst überhaupt nicht bis 1000 zählen.“

Wie schön, wenn er dies alles hätte laut schreien können.

Über die Autorin

Ich bin in Luxemburg geboren, wo ich mit meiner Familie lebe.
Bin Mutter zweier erwachsener Kinder. Nicht irgendwelche Kinder, sondern die Besten unter der Sonne. Ich bin Optimistin und gebe nie auf. Seit meiner Kindheit liebe ich Bücher. Heute schreibe ich selbst Lyrik und Prosa. Ich studierte Fremdsprachen und arbeitete lange Jahre als Fremdsprachenkorrespondentin. Mittlerweilen bin ich im Ruhestand. Ich schreibe unter Pseudonym und es ist kein Autorenbild hinzugefügt. Meine sechs Bücher, die bisher erschienen sind:
Mein Gang durch die Hölle
Die Hölle im Kinderheim
Schuldig ist, wen der Richter für schuldig hält! Aber ist das auch gerecht?
Verpfeif dein Schwein
L'enfer pour les enfants dans les foyers: moralement derrière les barreaux, à tout jamais.
Balance ton porc: Comment nos "élites" se protègent et se couvrent mutuellement

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Renée Wum
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